Innovationen

Was bedeutet das Whistleblower-Gesetz für Unternehmen?

In diesem Jahr tritt das neue Whistleblower-Gesetz in Kraft. Was es für Arbeitnehmende und Arbeitgebende bedeutet, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Was sind Whistleblower:innen?

Whistleblower:innen sind Hinweisgebende, welche auf (unternehmerisches) Fehlverhalten und Misstände aufmerksam machen. So lassen sie der Öffentlichkeit relevante Informationen aus einem internen Rahmen zukommen. Hierzu können beispielsweise Menschenrechtsverletzungen oder Korruption zählen. Neben der Wirtschaft ist auch das Aufdecken von Vorgängen in der Politik oder in Behörden nicht unüblich. Bekannte Whistleblower:innen sind etwa Edward Snowden oder Frances Haugen. Auf nationaler Ebene ist der Fall von Brigitte Heinisch zu nennen. Der Arbeitgeber der Altenpflegerin hatte auf ihr Bekanntmachen von Missständen in Pflegeheimen mit Kündigung reagiert. Dabei ist das Ziel der Whistleblower:innen neben der öffentlichen Aufklärung in der Regel auch der Schutz der Gesellschaft. Um den Schutz dieser mutigen Personen zu gewährleisten, hatte die EU bereits Ende 2019 eine Richtlinie erlassen. Mit dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz soll nun nicht nur das Aufdecken von Verstößen gegen das EU-Recht vor Repressalien geschützt sein, sondern auch gegen nationale Vorschriften. 

Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)

Dem im Vermittlungschuss erarbeiteten Schutz für Whistleblower:innen stimmte der Bundestag zu. Nach Verhandlungen mit dem Bundesrat verabschiedete der Bundestag dann am 11. Mai diesen Jahres das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz. Die bisherige EU-Richtlinie wird nun auch in das deutsche Recht umgesetzt. Whistleblower:innen sollen mit dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz einen besseren gesetzlichen Rechtsschutz erhalten und vor Repressalien geschützt werden. Durch einen diskreten Umgang mit Identität und Meldung der Hinweisgebenden soll ein Vertrauensschutz bewirkt werden. Benachteilgungen wie Abmahnung oder Kündigung im Zuge einer Meldung sind in diesem Zuge verboten. Auch Haftungsansprüche für Unternehmen werden vor dem Hintergrund des neuen Gesetzes auf nationaler Ebene vermieden. 

Ab dem zweiten Juli müssen alle Unternehmen mit insgesamt mehr als 250 Mitarbeitenden ein sogenanntes Hinweisgebersystem einrichten. Ab 17. Dezember gilt dies auch für Unternehmen mit einer Mitarbeitendenzahl größer als 50. Zusätzlich werden Behörden und Finanzdienstleister in die Pflicht genommen.

Was ist das Ziel des Gesetzes?

Das Ziel des Gesetzes ist es, Whistleblower:innen, welche auf Missstände aufmerksam machen und das Fehlverhalten von Unternehmen oder Behörden thematisieren, besser zu schützen. 

Warum sollten Whistleblower:innen besonders geschützt werden?

Whistleblower:innen nehmen eine wichtige Aufgabe im Schutz der Gesellschaft ein. Immer wieder werden Skandale illegalen oder unethischen Verhaltens öffentlich, welche durch Veröffentlichung interner Informationen bereits früher hätten abgewendet und Probleme gelöst werden können. Für ihren Mut und das damit verbundene Risiko, gilt es die Whistleblower:innen zu schützen. 

Wie ist das Gesetz ausgestaltet?

Verstoßen Unternehmen neben dem EU-Recht auch gegen nationale Vorgaben sieht das Gesetz einen besonderen Schutz für Hinweisgebende vor. Diese erwarten aufgrund ihres Hinweises keine Nachteile wie Abmahnungen, Verweigerung von Beförderungen und ähnliches. Sowohl Arbeitnehmende als auch Leiharbeitende, Auszubildende, Beamt:innen, Soldat:innen, Zivildienstleistende und Bewerber:innen sind mit dem Gesetz geschützt. Weiterhin stehen die Person, welche in Verbindung mit der oder dem Whistleblower:in stehen unter Schutz. Dazu gehören etwa Lebenspartner:innen oder Kinder. 

Unternehmen müssen nun sogenannte Hinweisgebersysteme einrichten. Dies sind interne Anlaufstellen, welche Hinweise vertraulich aufnehmen und bearbeiten. Besetzt ist die Meldestelle von Mitarbeitenden, einer internen Organisationseinheit oder auch Dritten (beispielsweise Anwaltskanzleien). Wichtig ist, dass die Ansprechperson, welche Meldungen und Hinweise entgegennimmt unabhängig und frei von Interessenkonflikten mit dem Unternehmen ist. Weiterhin ist Fachkompetenz, etwa in dem Führen von sensiblen Gesprächen gefragt. Auch eine Online-Meldestelle ist denkbar. Für Unternehmen mit bis zu 249 Angestellten ist ein Zusammenschluss (bis zu vier Unternehmen) möglich.

Neben den internen Meldestellen innerhalb des Unternehmens oder Organisationen gibt es externe Meldestellen, welche vom Staat eingerichtet werden. Eine solche staatliche Meldestelle wird etwas beim Bundesamt der Justiz gestellt. Diese stellt zudem einen rückmeldefähigen anonymen Kanal für Meldungen zur Verfügung, sodass ein anonymer Dialog zustande kommen kann. Die Bundesanstalt Finanzdienstleistungen wird weiterhin die Meldestelle für Verstöße bei Finanzgeschäften darstellen. 

Den Hinweisgebenden ist es im Gegensatz zur EU-Richtlinie nach dem nationalen Hinweisgebergesetz freigestellt, ob sie sich an eine interne oder externe Hinweisstelle wenden. Für Unternehmen gilt jedoch, Anreize zu schaffen, damit zunächst Meldungen über den internen Kanal bevorzugt werden. Dazu zählt unter anderem auch, dass Hinweisgebende keine Repressalien zu befürchten haben.

Wieso handelt es sich bei dem Gesetz um einen Kompromiss?

Bereits im vergangenen Dezember war das Gesetz verabschiedet worden, doch blockierte der Bundesrat dieses Anfang des Jahres. Der neue Entwurf verpflichtet die Meldestellen nicht dazu, auch anonyme Meldungen anzubieten. Zudem wurde die Bußgeldgrenze von 100 000 Euro auf 50 000 Euro abgesenkt, um kleine und mittlere Unternehmen zu entlasten.

Was muss jetzt getan werden?

Meldestellen sind für viele Großunternehmen bereits eine Selbstverständlichkeit. Laut Bundesregierung müssen in kleinen und mittleren Unternehmen aber noch etwa 10 000 Meldestellen errichtet werden. Dabei sei von durchschnittlichen Kosten von 12 500 Euro pro Meldestelle auszugehen (große Unternehmen benötigen durchaus 25 000 Euro), die einmalige Einrichtung interner Meldestellen soll die deutsche Wirtschaft demnach etwa 190 Millionen Euro kosten. Die Unterhaltungskosten für Personal und Co. werden pro Meldestelle auf jährlich 5800 Euro geschätzt. 

Was müssen potenzielle Hin­weis­ge­bende wissen?

Arbeitnehmende können dank dem neuen Gesetz auf Misstände aufmerksam machen, ohne mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. Hierfür gilt es jedoch, die gesetzlichen Meldewege, also die Kontaktierung einer internen oder externen Meldestelle, zwingend einzuhalten. Das Hinweisgeberschutzgesetz greift nur, wenn in bestem Wissen und Gewissen seitens der Hinweisgebenden gehandelt wird, erfolgt eine absichtliche Falschaussage entfällt das Recht auf Schutz. Wurde jedoch fälschlicherweise davon ausgegangen, dass es sich bei einem bestimmten Verhalten um eine Strafttat handle, bleibt der Schutz bestehen. 

Wendet man sich direkt an eine externe Meldestelle ohne zuvor den Kontakt mit dem eigenen Unternehmen zu suchen, können Arbeitgebende durchaus negativ reagieren – oftmals fühlen sie sich übergangen. Gehen Hinweisgebende direkt an die Öffentlichkeit und wenden sich etwa an die Presse, greift der Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes nur im Ausnahmefall, nämlich dann, wenn Gefahr im Verzug ist. Zu beachten gilt es auch, dass nur solche Meldungen gegen Rechtsverstöße geschützt sind. Ausnahmen werden im Gesetz jedoch beschrieben.

Grundsätzlich steht es Hinweisgebenden zu, spätestens eine Woche nach Herausgabe des Hinweiseses eine Bestätigung dessen Eingangs zu erhalten. In einem Zeitraum von drei Monaten müssen Hinweisgebende über Folgemaßnahmen in Bezug auf die Meldung unterrichtet werden.

Interessant: Auch Tierärzt:innen werden von dem Hinweisgeberschutzgesetz geschützt. Meldungen gegen Misstände in der Nutztierhaltung zu gewerblichen Zwecken etwa, tragen aktiv zum Tierwohl bei. 

Was bedeutet das Gesetz für Arbeitgebende?

Haben Unternehmen noch kein Hinweisgebersystem eingerichtet, so müssen Unternehmen mit 250 Mitarbeitenden ab dem ersten Dezember 2023 und solche mit mehr als 50 Beschäfigten ab dem 17. Dezember mit einem Bußgeld rechnen. Arbeitgebende sind demnach verpflichtet, so schnell wie eben möglich, ein System für einen internen Meldekanal einzurichten. Unternehmen müssen individuell entscheiden, wie sie die Meldestelle umsetzen. Vor- und Nachteile direkter Ansprechpartner:innen oder digitaler Systeme unterscheiden sich von Fall zu Fall. Wenn auch die Möglichkeit anonymisierter Hinweise nicht verpflichtend ist, so muss die Identität der Whistleblower:innen dennoch unbedingt vertraulich behandelt werden. 

Das neu verabschiedete Gesetz bietet einen besseren Schutz für Hinweisgebende, lässt für Unternehmen aufgrund der fehlenden Verpflichtung für anonymisierte Meldungen aber auch Spielraum zu. Dennoch trägt das Hinweisgeberschutzgesetz zu mehr Vertrauen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden bei und sorgt für eine transparentere Unternehmenskultur. Hinzukommt natürlich das Erleichtern des Aufdeckens interne Missstände. 

Verpassen Sie keinen Artikel mehr

Newsletter abonnieren

  • BOS Büro- und
    Objekteinrichtungen GmbH