BOSblick

Hörbares Wohlempfinden

Interview mit dem Sachverständigen Andreas Schmidt von der Ingenieurgesellschaft BATT & SCHMIDT

Open-Space-Büros sind beliebt. Sie sorgen für kurze Kommunikationswege und fördern Teamarbeit. Doch wo viele Menschen in einem Raum sprechen, treten schnell Störgeräusche auf, die sich kontraproduktiv auf die Arbeit auswirken. Eine weitere Herausforderung stellt Nachschall in modernen Büros und Meetingräumen dar.

Im Interview erklärt der Geschäftsführer des Ingenieurbüros BATT & SCHMIDT den Unterschied zwischen Lärm und Raumakustik und wie akustische Konzepte geplant und umgesetzt werden, damit diese die sprachliche Kommunikation fördern. Zudem zeigt er uns, wie in Zusammenarbeit mit Raumplanern hörbares Wohlempfinden entsteht. Sein Credo: Das Wohlbefinden in Arbeitsräumen muss ganzheitlich gedacht werden, das heißt, sie sollte Architektur, Möblierung, externe und interne Lärmquellen sowie die Schallausbreitung beachten.

Warum ist die Raumakustik in Büroumgebungen ein wichtiges Thema?

Die Raumakustik ist einer der wichtigsten Einflusskriterien für das Wohlbefinden der Mitarbeiter im Büro. Die Bedeutung wird auch durch Mitarbeiterbefragungen in Unternehmen bestätigt. In diesen wird die Raumakustik als einer der größten Störfaktoren genannt.

Untersuchen wir die Beschwerden der Nutzer, stellen wir immer wieder fest, dass sich die Mitarbeiter überwiegend über den störenden Geräuschpegel beklagen, der durch andere Mitarbeiter im Raum erzeugt wird und dadurch Ablenkungen verursacht. Insofern wird der Begriff Raumakustik oft stellvertretend für den eher in den Fachkreisen bekannten Begriff „Lärm am Arbeitsplatz“ verwendet. Aus unserer Sicht ist es an dieser Stelle wichtig, zwischen beiden Begrifflichkeiten zu differenzieren. Unter der Raumakustik wird nur die Hörsamkeit in Räumen betrachtet. Der Lärmschutz am Arbeitsplatz ist dagegen als übergeordneter Begriff zu verstehen, der gemäß der ASR A3.7 neben der Raumakustik auch die Bauakustik, Beurteilungspegel, Hintergrundgeräuschpegel sowie organisatorische Maßnahmen beinhaltet.

Wie entsteht eine schlechte Raumakustik?

Schlechte Raumakustik entsteht grundsätzlich durch fehlende bzw. nicht ausreichend oder falsch platzierte Absorptionsflächen wie z. B. schallabsorbierende Decken- und Wandelemente im Raum.

„In Open Space Büros fehlt oft die ganzheitliche Betrachtung der Arbeitsräume“

Woran erkennt man schlechte Akustik?

In Arbeitsräumen mit schlechter Akustik wurden entweder gar keine oder für die vorgesehene Raumnutzung falsche Maßnahmen berücksichtigt. Insbesondere bei den aktuell immer beliebteren Mehrpersonenbüros, auch Open Spaces genannt, stellen wir immer wieder fest, dass alles vordergründig auf die Regulierung der Nachhallzeit als Hauptkriterium ausgerichtet ist und dabei die ganzheitliche Betrachtung der Arbeitsräume hinsichtlich der vorgesehenen Nutzung und Anordnung der Arbeitsplätze wie Unterscheidung von Buchhaltung, Callcenter etc. sowie organisatorische Maßnahmen zum Beispiel die Schaffung von Rückzugsräumen und die gezielte Erzeugung gleichmäßiger Hintergrundgeräuschpegel zur Verdeckung störender Geräusche entweder zu wenig oder gar keine Beachtung geschenkt wird.

Wie definieren Sie Lärm?

Lärm wird als unerwünschter Hörschall, der zu Störungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder Schäden führen kann, definiert. In der Praxis bedeutet das, dass wir Geräusche messen und den einzuhaltenden Anforderungen gegenüberstellen und bewerten. Sind die einzuhaltenden Anforderungen überschritten, handelt es sich schließlich um meist unerwünschten Lärm.

In der Büroplanung ist vieles gesetzlich streng vorgegeben. Fehlt es an Regulierungen bei der Akustik von Büros?

Für die Akustik bzw. den Lärmschutz am Arbeitsplatz gibt es viele Vorschriften, die einen arbeitsschutzrechtlichen Charakter haben. Ich erwähne hier beispielsweise die ArbStättV bzw. ASR oder die Regelungen mit empfehlendem Charakter wie DIN- und VDI-Vorschriften. Aus unserer Sicht ist weniger die Regulierung problematisch, sondern vielmehr die Umsetzung der Vorschriften.

„Lärmschutz am Arbeitsplatz fällt in das Leistungsbild Innenräume im Sinne der HOAI“

Warum soll ich mich als Innenarchitekt oder Projektleiter einer Objekteinrichtung überhaupt mit diesem Thema beschäftigen?

Die Beurteilungspegel für Tätigkeiten an Arbeitsplätzen in Arbeitsräumen sowie die raumakustischen Anforderungen an Arbeitsräume müssen eingehalten werden. Das gilt für die Einrichtung, wesentliche Erweiterungen, dem Umbau von Arbeitsstätten oder der wesentlichen Umgestaltung der Arbeitsverfahren oder Arbeitsabläufe. Gemäß der Definition der ASR A3.7 ist dies bereits bei der Planung zu berücksichtigen. Hierbei sind insbesondere die Bauakustik, Raumakustik sowie Maßnahmen zum Lärmschutz etc. zu beachten.

Demnach fällt der Lärmschutz am Arbeitsplatz in das Leistungsbild Innenräume im Sinne der HOAI. Die mit der Planung von Innenräumen zuständigen Innenarchitekten und Objekteinrichter müssen sich insofern mit den arbeitsschutzrechtlichen Belangen auseinandersetzen. Hierzu zählen neben dem Brandschutz und der Lichtplanung auch der Lärmschutz am Arbeitsplatz.

Wie reduziere ich den Nachhall?

Der Nachhall lässt sich in Räumen durch die Ausführung schallabsorbierender Maßnahmen reduzieren. Denkbar ist dafür der Einsatz von stoffbezogenen oder beschichteten schallabsorbierenden Elementen. Es ist dabei auf die frequenzabhängigen schallabsorbierenden Eigenschaften sowie die geeignete Anordnung der benötigten Absorptionsfläche im Raum zu achten.

Was bedeutet Schallabsorption?

Unter der Schallabsorption versteht man die Minderung der Schallenergie im Raum durch teilweise Umwandlung in Wärme oder kinetische Energie. Wir nehmen dies in Räumen durch eine Minderung der Halligkeit wahr.

Muss immer eine Messung durchgeführt werden? Wie wird bei einer telefonischen Beratung vorgegangen?

Die Durchführung von messtechnischen Prüfungen als Grundlage für die Bewertung einer vorhandenen Situation z. B. bei Beschwerden von Nutzern einer Bürofläche über die Lautstärke ist aus unserer Sicht unumgänglich. Handelt es sich dagegen beispielsweise um eine Kernsanierung einer Bürofläche, kann ggf. auf messtechnische Prüfungen im Vorfeld verzichtet werden. Durch die Einbindung der Fachplanung des Lärmschutzes am Arbeitsplatz bis zur Entwurfsphase kann auf alle Belange des Lärmschutzes am Arbeitsplatz hingewiesen und die ggf. erforderlichen Maßnahmen abgestimmt auf die Nutzung dimensioniert werden.

Bei einer telefonischen Beratung klären wir grundsätzlich die Nutzung der Räume ab und erläutern die Vorgehensweise zur Realisierung eines ausreichenden Lärmschutzes am Arbeitsplatz. Ziel des Gesprächs ist es, aus unserer Sicht eine Grundlage für die Entscheidung der richtigen Herangehensweise zu schaffen.

Lässt sich jeder Raum akustisch optimieren?

Eine raumakustische Optimierung ist in der Theorie immer machbar. Jedoch in der Praxis nicht immer zielführend. Hier finden wir oft bereits raumakustisch optimierte Räume vor, in denen sich die Mitarbeiter dennoch gestört beziehungsweise unbehaglich fühlen. Insofern sind neben der raumakustischen Optimierung weitere Belange des Lärmschutzes am Arbeitsplatz zu beachten.

„Essenziell ist die Abstimmung des Raumplaners mit dem Fachplaner für Lärmschutz“

Wie wird in Open Space gute Raumakustik geplant?

Die Voraussetzung für die Planung eines ausreichenden Lärmschutzes am Arbeitsplatz im Open Space ist die Einbindung eines Sachverständigen für Lärmschutz am Arbeitsplatz. Im Rahmen der Vor- und Entwurfsplanung wird mit dem Raumplaner ein Nutzungskonzept der Büroeinheit abgestimmt, auf dessen Grundlage die Maßnahmen zur Realisierung eines ausreichenden Lärmschutzes am Arbeitsplatz von dem Sachverständigen dimensioniert werden. Die dazugehörigen Kosten schätzt dann der Raumplaner.

Essenziell ist aus unserer Erfahrung die Abstimmung des Raumplaners mit dem Fachplaner für Lärmschutz am Arbeitsplatz über alle Leistungsphasen der HOAI.

In der Praxis stellen wir jedoch immer wieder fest, dass aufgrund einer fehlenden Fachplanung die Kosten für den Lärmschutz am Arbeitsplatz im Budget nicht berücksichtigt werden. Infolge des fehlenden Budgets werden dann die erforderlichen Maßnahmen nicht bzw. nicht im vollen Umfang umgesetzt.

Welche Besonderheiten sind beim Open Space zu beachten?

Im Gegensatz zu Konferenzräumen spielt aus unserer Sicht die Nachhallzeit in Open Spaces eine eher untergeordnete Rolle. Hier haben Kriterien wie Beurteilungspegel, Schallausbreitung, Abklingraten etc. eine weitaus größere Bedeutung. Die Praxis bestätigt diese Sichtweise regelmäßig in unseren messtechnischen Prüfungen, in denen die Beschwerden weniger auf die Nachhallzeit, sondern vielmehr auf fehlende Abschirmungen, zu niedrige Hintergrundgeräuschpegel und starke Störgeräusche aus angrenzenden Arbeitsbereichen und -räumen zurückzuführen sind.

Aus unserer Sicht ist für Open Spaces die Abstimmung zwischen Raumplanung und Fachplanung Lärmschutz am Arbeitsplatz unumgänglich. Diese Abstimmung berücksichtigt Nutzung, die ausreichende Abschirmung der Arbeitsplätze, größtmögliche Minderung der Schallausbreitung im Raum, gezielte Erzeugung gleichmäßiger Hintergrundgeräuschpegel sowie organisatorische Maßnahmen. Das können Rückzugsmöglichkeiten mit einer ausreichenden Schalldämmung sein.

Wie wird die Akustik im Einzelbüro optimiert?

Idealerweise sollte eine der gegenüberliegenden Raumflächen gegliedert oder in Abhängigkeit vom Raumvolumen mit der entsprechenden Fläche schallabsorbierend gestaltet werden.

„Raumplaner können uns detaillierte Angaben zur geplanten Nutzung der Büroräume geben“

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit einem Raumplaner?

Ziel der Zusammenarbeit ist die reibungslose Integration der Fachplanung in die Raumplanung.

Da sich der Einrichter oder Raumplaner intensiv mit den Wünschen und Vorstellungen des Bauherrn bzw. Nutzers auseinandersetzt, kann er uns – wie kaum ein anderer – detaillierte Angaben zur geplanten Nutzung der Büroräume geben. Im Rahmen der Entwurfsplanung können wir auf Grundlage dieser Informationen ein Planungskonzept zur Realisierung eines ausreichenden Lärmschutzes am Arbeitsplatz, in dem die erforderlichen Maßnahmen dimensioniert werden, erstellen. Anhand unserer vorgegebenen Maßnahmen kalkuliert der Einrichter oder Fachplaner das entsprechende Budget, wählt im weiteren Planungsprozess die passenden Produkte aus und sorgt für die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen.

Was würden Sie den Projektleitern bei einer Büroumgestaltung mit auf den Weg geben?

Ich halte es für enorm wichtig, in Projekten seinen Bauherren auf alle Belange, wie z. B. den Lärmschutz am Arbeitsplatz, hinzuweisen und zu erläutern, was alles zu beachten ist, damit dieser eine bewusste Entscheidung treffen kann. Im Zuge der Realisierung sollten die Bauherren die Planenden und Ausführenden für eine konstruktive Kommunikation sowie lückenlose Abstimmung stets zusammenführen.

Zur Person und zum Unternehmen

Andreas Schmidt ist geschäftsführender Gesellschafter der Ingenieurgesellschaft BATT & SCHMIDT Partnerschaft für Bauphysik in Düsseldorf. Er hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert.

Seit 2017 berät das Ingenieurbüro Unternehmen zu Fragen der Raumakustik, Bauakustik und zum Lärmschutz am Arbeitsplatz. Sie planen, prüfen und begutachten die Räumlichkeiten und erstellen Konzepte für eine verbesserte Akustik.

Weitere Informationen zum Unternehmen:
www.ig-bs.de

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