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Wie arbeiten wir morgen? Teil 1: Arbeitskultur

Die Corona-Pandemie führt in der Arbeitswelt zu einem nie dagewesenen Feldversuch. Innerhalb weniger Wochen haben Mitarbeiter und Geschäftsführer ihre Büros geräumt, sich im Homeoffice eingerichtet und sich in eine neue Arbeitswelt begeben. Online-Konferenzen wurden Alltag. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stand plötzlich vor ganz neuen Herausforderungen. Wir sprachen mit Experten und Expertinnen, wie sich die Arbeitswelt bereits veränderte und welche Entwicklungen nachhaltig sein werden.

Freie Wahl des Raums

“Sogenannte Surfaces werden in Zukunft noch wichtiger. Ein Surface kann ein Coworking-Arbeitsplatz sein, das Homeoffice, ein Café oder eine Bank in der Natur. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung beschleunigt”, sagt Joachim Müller-Wedekind. Der Berater arbeitet bei Steelcase, dem weltweit größten Hersteller von Büroeinrichtungen. Hier designed er neue Entwicklungen für den Bereich „Education“. Seine Ergebnisse teilt er dann mit Beratungsunternehmen, die wiederum Universitäten und andere Bildungsinstitute in Einrichtungs- und Ausstattungsfragen beraten. “Die Mitarbeiter treffen sich zukünftig zu Besprechungen oder für die Zusammenarbeit in kleinen Satellitenbüros, die verkehrsgünstig gelegen sind, zum Beispiel in der Nähe einer Autobahnausfahrt.”

Prinzip Vertrauensarbeitszeit und Vertrauensarbeitsort

Ähnlich sieht es Kay Mantzel. Der Marketing-Experte ist bei Microsoft in München für das Gebäude-Marketing verantwortlich. Er beschäftigt sich mit dem Thema, wie Bürogebäude als Marketinginstrumente nutzbar sind. “Bei uns herrscht das Prinzip der Vertrauensarbeitszeit und des Vertrauensarbeitsorts. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter sucht sich den Ort, an dem er arbeitet, selbst.“ Innerhalb des Bürogebäudes verliert der einzelne Schreibtisch an Bedeutung. Microsoft hat jetzt schon keine personenbezogenen Schreibtische mehr. Wichtiger werden Meetingpoints. “Wir versuchen, Raucherecken ohne Rauch zu ermöglichen. Raucher sind meist gut informiert, weil sie sich spontan treffen und austauschen. Wir wollen solche Räume schaffen, in denen sich die Mitarbeiter über die Organisationseinheiten hinweg treffen und miteinander reden.“, beschreibt der Marketing-Experte die Idee dieser „Raucherecken“.  Joachim Müller-Wedekind ergänzt: “In modernen Unternehmen kommen auf 100 Beschäftigte etwa 70 Schreibtische. In Zukunft geht das Verhältnis noch weiter auseinander”. Das kann Kay Mantzel bestätigten. Microsoft in München hat für circa 1900 Beschäftigte 1100 Arbeitsplätze. Dazu zählen neben Schreibtischen auch Sitzecken und Sofas.

Corona als Turbo für die Digitalisierung

Diese Tendenzen sind schon länger zu sehen und unter dem Begriff Arbeit 4.0 zusammengefasst. Die Corona-Pandemie ist ein Turbo für Digitalisierung. “Entwicklungen, die sonst zwei Jahre gedauert hätten, wurden plötzlich in zwei Monaten umgesetzt”, sagt Kay Mantzel. Hinter Arbeit 4.0 verbergen sich drei Faktoren. 1. Mensch 2. Ort 3. Technologie.

„Nicht die Technologie ist der Treiber für Veränderungen, auch nicht der Ort, sondern der Mensch“, so der Marketing-Experte. In den letzten Monaten wurde sichtbar, dass die dezentrale Arbeit nicht nur eine Notwendigkeit war, sondern ein Bedürfnis der Menschen ist. “Eine Studie des Fraunhofer-Institutes zeigt, dass der größte Wunsch der Mitarbeiter größtmögliche Flexibilität ist - räumlich und zeitlich”, ergänzt Joachim Müller-Wedekind. “Plötzlich sehen wir die Vorteile vom ortsunabhängigen, digitalen Arbeiten. Vor Corona war ich als Berater fünf Tage die Woche auf der Straße. Von jetzt auf gleich war ich ans Homeoffice gebunden und arbeitete mit Konferenztools. Vieles ging genauso gut, manches besser, manches schlechter. Heute kombiniere ich die Arbeitswelten. Zwei bis drei Tage bin ich unterwegs, die anderen Tage arbeite ich von Zuhause oder dem Büro. Die Kombination von Präsenz und Home wird generell die Zukunft sein.”

Corona hat vielen skeptischen Unternehmern vor Augen geführt, dass die Produktivität nicht sinkt, wenn die Mitarbeiter von zu Hause arbeiten. Sie lernten – notgedrungen. Dieses Wissen fließt unweigerlich in die künftigen Planungen ein. So zeigt eine Studie Deutschlands größter Digitalmesse, dmexco, dass 85 % der Entscheider in der Digitalbranche denken, dass Homeoffice in Zukunft eine größere Rolle spielen wird. 71 % glauben, dass Tools wie Slacks oder Microsoft Teams an Bedeutung gewinnen werden. Die Rolle der Technik sollte also nicht unterschätzt werden. Während der Pandemie setzten sich in Windeseile Videokonferenz- und Kooperationstools durch. Die Software-Unternehmen erweiterten im Wochentakt die Funktionen.

Dennoch sehen beide Experten die Zeit des klassischen Auge-zu-Auge-Meetings noch nicht an ihrem Ende. Der mündliche Wissensaustausch und das gemeinsame Lösen von Herausforderung wird weiterhin fester Bestandteil der Firmenkultur sein.

Heute sind viele Unternehmen nach Abteilungen organisiert, und nicht nach Zusammenarbeit. In Zukunft bilden sich Teams um die zu lösende Aufgabe. Temporär begrenzt und räumlich flexibel

Kay Mantzel
Microsoft

 

„Man trifft sich, um Aufgaben und Ergebnisse zu besprechen. In iterativen Arbeitsschritten wird dann an der Aufgabe weitergearbeitet.“ Es heißt, ein Wohlfühlambiente steigert die Produktivität/Kreativität um bis zu 60 Prozent. Damit war bis jetzt die Einrichtung gemeint. In Zukunft gehören auch Kollegen zu diesem Ambiente.“

Joachim Müller-Wedekind
Steelcase

 

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